Polen und die europäische Verteidigungsintegration

Polen schmälert sein Potenzial, eine wichtige sicherheitspolitische Rolle in der EU zu spielen

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Mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber der europäischen Verteidigungskooperation und einem barschen Auftreten gegenüber europäischen Rüstungsfirmen schmälert Polen sein Potenzial, eine wichtige sicherheitspolitische Rolle in der EU zu spielen.

Während die EU mit der Ständigen Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) weitere Integrationsschritte in der Verteidigungspolitik geht, bleibt die Frage, welche Rolle die ehemaligen Sowjetrepubliken darin spielen. In dieser Gruppe ist Polen der bevölkerungsreichste Staat mit dem größten Verteidigungshaushalt und Industriepotenzial. Weshalb Polen trotzdem keine konstruktive Rolle in europäischen Rüstungsprojekten spielen wird, erklärt ECFR-Visiting Fellow Marcin Zaborowski in einer neuen Studie.

Die größten Bedenken betreffen Polens fragliche Strategie für die Rüstungsindustrie. Der weitaus größte Anteil der polnischen Rüstungsproduktion befindet sich in den Händen der des staatlichen Rüstungskonzerns Polska Grupa Zbrojeniowa (PGZ), einem der größten Rüstungskonzerne Europas, mit über 60 Firmen, 18.000 Angestellten und weiteren 30.000 Angestellten bei Subunternehmen. Der Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro ist einer der höchsten Europas.

Der Konzern ist allerdings ein Riese auf tönernen Füßen. Die PGZ produziert hauptsächlich für den heimischen Markt und exportierte Rüstung im Wert von lediglich 84 Milliarden Euro im Jahr 2016. Das Unternehmen befindet sich nicht nur in staatlicher Hand, er wird auch von seinem größten Kunden geleitet. Seitdem die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Regierung führt, hat das Verteidigungsministerium die Aufsicht der PGZ vom Finanzministerium übernommen. So verschmelzen die Rollen von Käufer und Verkäufer und schwächen jegliche Wettbewerbsanreize.

Der zweite Faktor ist die polnische Vorliebe, Rüstungsgüter bei US-Konzernen zu beschaffen. Die größte Bestellung in der Geschichte gab 2002 die Regierung der Demokratischen Linken Allianz auf. Sie kaufte insgesamt 48 amerikanische F-16 Kampfflugzeug und lehnte ein Angebot über Mirage 2000 Jets der französischen Firma Dassault Aviation ab, obwohl der Deal einen umfassenden Wissenstransfer an die polnische Rüstungsindustrie miteingeschlossen hätte.

Die Tendenz, amerikanische Anbieter zu bevorzugen, wird noch durch einen dritten Umstand verschlimmert – der Wahl einer euroskeptischen Regierung, in Form der PiS, im Jahr 2015.

2016 hat die damals neue Regierung einen Vertrag mit Airbus gekündigt, der den Kauf von 50 Helikoptern vorsah und noch von der Vorgängerregierung stammte. Die Hubschrauber hätten in Łódz produziert werden sollen. Auch hier hätte die PGZ vom Technologietransfer profitiert, da sie 90 Prozent der Aktienanteile und im Besitz der Produktionsanlagen gewesen wäre. Stattdessen kündigte die PiS ohne ein erneutes Bieterverfahren an, amerikanische Black Hawks der Firma Lockheed Martin zu kaufen; ein Deal, der später platzte.

Die Aufkündigung des Airbusvertrags durch die PiS führte zu erheblichen Spannungen in den französisch-polnischen Beziehungen und ging soweit, dass der französische Präsident François Hollande einen Staatsbesuch in Polen platzen ließ. Die Aussicht, Polen stärker in die europäische Industriekooperation einzubinden, wurde ein herber Dämpfer versetzt.

Die PGZ wäre Mehrheitseigner an einem Joint Venture mit einem europäischen Rüstungsriesen geworden, wenn der Deal zustande gekommen wäre. Tatsächlich wäre der Konzern damit zur fünften europäischen Säule im multinationalen Airbus-Betrieb geworden. Stattdessen reduziert Airbus seine Beteiligungen in Polen nun.

Einst war Polen eine der treibenden Kräfte hinter Projekten europäischer Rüstungskooperation, wie PESCO. Doch mit der PiS-Regierung hat Warschau Monate damit verbracht PESCO zu kritisieren und zu verzögern, bevor es schließlich als einer der letzten Mitgliedstaate beitrat.

Einige Beobachter vermuten, dies sei bewusst geschehen, um das Vorhaben von innen heraus zu untergraben. Warschau hat sich nur für zwei der 17 PESCO-Projekte verpflichtet – die Entwicklung von Software Defined Radio und für die Vereinfachung und Standardisierung von grenzüberschreitenden Militärtransporten. Keines der Projekte steht im Mittelpunkt der Verteidigungsinitiative, aber beide bringen Polen in die Lage den Prozess zu blockieren.

Die Position der PiS-Regierung ist ein unnötiges Ärgernis für die übrige EU und verschärft Polens Reputationsproblem bei den Mitgliedsstaaten.

Marcin Zaborowski, Autor des Berichts, erklärt: „Ein Großteil der EU nimmt die polnische Regierung als bedürftig, fordernd oder unsolidarisch war, und häufig gleichgültig in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit. Die Verteidigung ist ein Bereich, in dem die Regierung einige der negativen Eindrücke wettmachen könnte, indem sie ihr Engagement für eine der wichtigsten Gründungsziele der EU unter Beweis stellt.“ Zaborowski fügt hinzu: „Das kann auch ohne große Investitionen aus Warschau geschehen. Es ist bloß eine Frage der Einstellung.

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.