Europas Bankenunion

Die Bankenunion ist ein großer Schritt nach vorn, aber noch nicht abgeschlossen

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EUROPAS BANKENUNION

Die europäische Bankenunion ist ein Meilenstein der Europäischen Integration, der den Finanzsektor der Europäischen Union fundamental verändern wird und zur Entspannung der Lage in den Euro-Krisenländern beitragen wird. Jedoch werden bei weitem nicht alle politischen Versprechen mit der Bankenunion erfüllt: Die Vereinbarungen reichen in ihrer jetzigen Form nicht aus, einer möglichen neuen systemischen Bankenkrise im Euro-Raum effektiv zu begegnen. Auch dürfte das Ziel verfehlt werden, wieder völlig gleiche Finanzierungsbedingungen in der ganzen Währungsunion zu schaffen. Dies ist das Ergebnis eines neuen Policy Papiers des European Council on Foreign Relations. Das Papier ist eine der ersten unabhängigen Studien überhaupt, die den Kompromiss zur Bankenunion aus dem Frühjahr 2014 umfassend analysiert.

Laut Prof. Sebastian Dullien, Senior Policy Fellow beim ECFR, ist der größte Fortschritt der Bankenunion, dass erstmalig  alle wichtigen Banken in der Währungsunion von einer zentralisierten Aufsichtsbehörde (der EZB) überwacht werden. Damit wird verhindert, dass nationale Finanzaufseher nur das enge nationale Interesse im Blick haben und Folgen für andere Euro-Länder bei ihren Entscheidungen vernachlässigen, wie es in der Euro-Krise häufig passiert ist. Auch wird so sichergestellt, dass Banken sich nicht mehr die laxeste Regulierung innerhalb Europas für ihre riskanten Geschäfte aussuchen können.

Zusammen mit den verschärften Eigenkapitalregeln wird so das Risiko einer systemischen Bankenkrise substantiell verringert und damit die Finanzierungskosten in der Euro-Peripherie  gesenkt, was die wirtschaftliche Erholung in Europa beschleunigen wird. Außerdem sorgen neue einheitliche Regeln zur Abwicklung von Banken dafür, dass im Normalfall zunächst Bankgläubiger Einschnitte hinnehmen müssen, bevor staatliche Rettungsgelder in die Banken fließen. „Die neuen Regeln helfen, die Steuerzahler zu schützen und dürften helfen, dass Banken in der Euro-Peripherie sich wieder etwas günstiger Geld leihen können“, so Sebastian Dullien.

Allerdings geht dieser Fortschritt nach Einschätzung des Experten nicht so weit, wie man es hätte hoffen können. So ist zu befürchten, dass der geplante einheitliche Abwicklungsfonds (SRF) nicht ausreichend groß ist, um mit einer systemischen Krise umzugehen. „Das deutsche Bankenrettungspaket in der Krise 2008/9 hatte ein Volumen von rund 500 Mrd. €. Der nun geplante Fonds soll in acht Jahren ein Volumen von 55 Mrd. € für den ganzen Euro-Raum erreichen. Das dürfte bei einer ernsten Krise kaum reichen, selbst wenn Banken künftig mehr Eigenkapital vorhalten“, so Dullien.

Kritisch sieht der Experte auch die Regeln, nach denen die einzelnen Mitgliedsstaaten in einer systemischen Krise unter bestimmten Umständen ihren Banken „außerordentliche finanzielle Unterstützung“ zukommen lassen dürfen. Dies berge die Gefahr, dass reichere Mitgliedsstaaten in einer solchen Krise die Banken mit Staatsgeldern stützten, während die ärmeren Mitgliedsstaaten die Bankgläubiger zur Haftung heranzögen. Investoren dürften so darauf bauen, dass ihre Gelder bei Banken in Deutschland oder Frankreich sicherer sind als etwa in Irland oder Spanien. „Damit werden am Ende Unterschiede zwischen den Finanzierungskosten in den Kern-Euro-Ländern und der Peripherie bestehen bleiben“, so Dullien. Das Ziel, einen einheitlichen Markt für Bankdienstleistungen in Europa herzustellen, werde so verfehlt.

 

Um die Bankenunion zu vervollständigen und die verbliebenen Probleme zu lösen, schlägt der Autor folgende Reformen vor:

·         Die Entscheidung über außerordentliche finanzielle Unterstützung von Finanzinstituten in einer systemischen Krise sollte der EU übertragen werden, wo die Entscheidung über solche Finanzströme im normalen EU-Gesetzgebungsverfahren durch Kommission, Rat und Europäisches Parlament getroffen werden sollte

·         Um diese Zahlungen zu finanzieren, sollte dem gemeinsamen Abwicklungsfonds eine direkte Kreditlinie zum Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM gegeben werden

Der laufende Evaluationsprozess, der in den aktuellen Gesetzestexten bereits festgeschrieben ist, sollte genutzt werden, um für diese Ergänzungen einzutreten. Dabei müsse sich vor allem die deutsche Bundesregierung bewegen, die zuletzt sich eher zögernd gegenüber Forderungen nach zusätzlichen Finanzquellen für den gemeinsamen Abwicklungsfond gezeigt hat.

Der European Council on Foreign Relations vertritt keine gemeinsamen Positionen. ECFR-Publikationen geben lediglich die Ansichten der einzelnen Autor:innen wieder.